New Work Night Online #6 Disruption und der Wandel in unserem Denken

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Im Interview mit Wolfgang Natzke zu Disruption, Corona und New Leadership am 18.06.2020

Der Begriff Disruption bedeutet etwas „Zerstörerisches“, etwas „Revolutionäres“, das unvorhergesehen und plötzlich das Bisherige ablöst. Nach meinem Gespräch mit Wolfgang Natzke, Leiter des Steinbeis-Transfer-Institutes Business Management and Innovation habe ich gelernt, dass unsere Arbeitskultur nicht erst seit Corona ein neues MindSet benötigt, da digitale Entwicklung nun einmal nicht aufzuhalten ist.

Natzke kommentiert, dass Zustände wie Zerstörung und Revolution tendenziell leider negativ besetzt sind. Anders in der Landwirtschaft. Dort wird ein Feuer absichtlich gelegt um neuen Lebensraum und fruchtbaren Boden zu schaffen. Es findet ein kontrollierter Einsatz disruptiver Maßnahmen statt. Noch weiter gehen Firmen z.B. im Silicon Valley, die nach dem Motto handeln „disrupt or be disrupted“ und drastische Veränderung für unverzichtbar halten, um dem Wettbewerb standzuhalten.

Ein disruptives Geschäftsmodell, das wir alle kennen und deren Entwicklung wir alle in den letzten Jahren mitverfolgen konnten, ist das Marktplatzmodell von Amazon. Diese Handelsform hat es vor einigen Jahren noch nicht gegeben und hat mit Neuheiten wie Kundenreferenzen, Provisionsmodellen und ganz neuen Effizienzen in der Logistikabwicklung zu einem veränderten Einkaufsverhalten und neuem Denken geführt.

Haben wir die Chance, disruptive Geschäftsmodelle vorherzusehen?

Es gibt den bemerkenswerten Satz, den sogar Bill Gates gesagt haben soll: „dieses Internet wird sich nicht durchsetzen“. Das zeigt deutlich, dass kaum einer prognostizieren kann, was das nächste „big thing“ sein wird. Wir können wohl sagen, dass die Erfindung von Buchdruck, Dampfmaschine, Telefon und Faxgerät solch disruptive Entwicklungen waren. Ist die Digitalisierung der aktuelle Kometeneinschlag für die Wirtschaft?

Natzke beschreibt, dass zur Industriellen Revolution, die mit der Erfindung der Dampfmaschine begann, genauso auch die Digitalisierung zähle. Begleiterscheinungen seien jeweils tiefgreifende Veränderungen der Lebens- und Arbeitsbedingungen. Das ist nicht neu. Was neu ist, ist die rasante Geschwindigkeit, mit der die Entwicklung heute passiert. Revolutionen sind für sich genommen nicht nur bedrohlich, denn sie sorgen für Bereinigungen, die neue Errungenschaften in einem System hervorbringen. In seiner Arbeit mit Unternehmern beobachtet Wolfgang Natzke, dass die Digitalisierung für Viele immer noch eine starke Verunsicherung auslöse, und trotzdem gibt es kein Ausweichen mehr, denn wir kommen um die Weiterentwicklung nun einmal nicht drum herum, so zitiert der erfahrene Trainer und Coach für New Leadership. Wir haben nur die Möglichkeit, uns mit der Thematik auseinanderzusetzen und uns mit Hilfe von guten Sparringpartnern das optimale Rüstzeug anzueignen.

Evolution findet nur durch Störung statt

Das Zukunftsinstitut und der Trendforscher Mathias Horx sagen: Evolution findet nur durch permanente Störung statt. Komplexe Organismen brauchen ein Immunsystem, und Immunsysteme müssen ständig „trainiert“ werden – durch Infektionen, oder in der Wirtschaftswelt: durch Krisen!

Für Unternehmen wäre es natürlich wünschenswert zu wissen, wie sie sich darauf vorbereiten können, aber die meisten Entwicklungen lassen sich wohl nur annährend steuern. Alternativ müssen wir selbst diejenigen sein, die den Wandel begleiten oder selbst anstoßen.

Wolfgang Natzke betont hierbei den Begriff der VUKA Welt. Diese Beschreibung ist gar nicht neu. Schon als Hannibal die Alpen überquerte, handelte er unter diesen 4 Umweltbedingungen: Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit (Ambiguität). Gerade in unsicheren Zeiten verspüren wir eine gewisse Ohnmacht, Angst und Kontrollverlust, da wir in unserem bisherigen Bildungssystem nicht darauf vorbereitet worden sind. Wir wünschen uns wieder Kontrolle, einen sicheren Hafen, einen klaren Fahrplan oder machen Hamsterkäufe.

Der Fokus unseres Verhaltens und Denkens wird sich wandeln, und das Erfüllen fachlicher Qualifikationen ist im beruflichen Kontext nicht mehr so relevant wie das richtige MindSet in Hinblick auf die Veränderungs- und Anpassungsbereitschaft sowie die Offenheit für die Annahme neuer Wege.

Zukunftsdenken als Lernfach

Trendforscher Lars Thomsen berichtet, dass weniger als 1%  der Arbeitszeit eines CEO in den USA dafür eingesetzt wird, um über die Zukunft nachzudenken. Kein Wunder also, dass so manches Unternehmen die Zeichen der Zeit übersehen hat und von neuen Technologien abgehängt wurde. Und schlimmer noch: daran zugrunde geht.

Natzke plädiert dafür, quasi ein Studien- oder Schulfach einzuführen, dass uns lehrt, mit Veränderungen anders umzugehen. Er begründet, dass in seinen damaligen Studiengängen lediglich viel Fachwissen gelernt wurde. Natzke erinnert sich an: Druckbetankung, clear memory, neues Wissen rein. Das kreative Denken blieb auf der Strecke, und genau dieses ist mittlerweile unverzichtbar für die morgige Wirtschafts- und Arbeitswelt. Es braucht ergo mehr Investition in soziale Kompetenzen und Führungsfähigkeiten, um den digitalen Wandel zu bestehen und im globalen Wettbewerb standzuhalten.

Natürlich sei Veränderung auch eine Sache, die den meisten Menschen Unbehagen macht. Logisch, denn sie bedeutet Arbeit, lieb gewonnene und funktionierende Routinen werden gegen neue unbekannte getauscht. Natzke sagt aber klar, dass wir uns verabschieden müssen von linearem Denken, einseitigen Karrieremodellen sowie von generalistischen Führungsansätzen, die nicht mehr zeitgemäß sind. Hingegen brauchen wir fähige Köpfe, die agilere Fähigkeiten verinnerlichen und authentisch umsetzen können.

Sich bewegen wollen ist der Motor

Natzke ist sicher, dass wir uns inmitten einer großen Veränderung befinden und von A nach B gehen müssen. Wenn ich bei B ankomme, habe ich logischerweise die Vorzüge von A nicht mehr. Damit wir diesen Schritt schaffen, ist das „Wollen“ eine wesentliche Eigenschaft des Gelingens.

Es gibt den Hin-Zu-Typen (positiv nach vorne schauend) und den Weg-Von-Typen (Flucht vor dem Schlimmen). Idealerweise bleiben wir aktive Gestalter in dem Veränderungsprozess und lassen auch auf dem Weg zum Ziel eine gewisse Flexibilität zu. Wir sollten akzeptieren, dass es nicht den einen richtigen Weg gibt. Was Natzke mit einem Augenzwinkern besonders wichtig erscheint: Gehirn einschalten, mutig nach vorne gehen und den Rückhalt einer Person wie z.B. der Führungskraft haben. Wer innovativ sein will oder innovative Mitarbeiter haben möchte, muss auch Fehler zulassen. Alles andere widerspricht sich. Er plädiert für den Transfer von einer Fehler- zu einer Irrtumskultur. Es gibt kein richtig oder falsch, es gibt nur Versuche und mutiges Ausprobieren.

Disruption entsteht immer erst dann, wenn alte Systeme träge, selbstgerecht und zukunftsblind werden. Viele Unternehmen sind aber durchaus vital und lernfähig. Gerade deutsche Mittelständler üben seit Jahrzehnten die Kunst neuer Innovations- und Arbeitsmethoden: Sie verbessern ihre Produkte, aber auch ihre Prozesse, ständig weiter.

Darauf setzt auch die Lernkultur des Steinbeis-Transfer-Institutes. Im Januar 2021 startet das Projekt der Business Area 27/9 bei Steinbeis und wird erstmalig in Ostwestfalen für Unternehmen angeboten, die ihr MindSet und ihre Führungskultur verändern möchten.

Auch Maren Fischer unterstützt die Business Area mit Trainings und Workshops zum Thema positive Führungs- und Feedbackkultur.

Mehr Infos unter: https://steinbeis-bmi.de/business area-27-9/                                                      

Das ganze Interview mit Wolfgang Natzke hier ansehen: https://www.youtube.com/watch?v=a6JZ6Sgqrp8&t=1706s